Am 4. März kündigte der zukünftige deutsche Kanzler in einer Pressekonferenz ein umfangreiches Schuldenpaket an, die Reaktion der Finanzmärkte folgte prompt. An den europäischen und insbesondere am deutschen Aktienmarkt löste die Hoffnung auf neue Wachstumsimpulse eine Kursrallye aus. Ganz anders das Echo am Anleihemarkt: Die Aussicht auf Rekordemissionen hatte eine massive Verkaufswelle zur Folge, in der Woche nach der Ankündigung stieg die Rendite auf deutsche Bundesanleihen so rasant wie noch nie seit der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990.1
In diesem Artikel erläutern wir, was sich ändern soll – und wie die Aktien- und Anleihemärkte reagieren könnten.
Der angekündigte Kurswechsel würde, so er denn kommt, eine deutliche Abkehr von der konservativen deutschen Haushaltsführung einleiten, die der Kreditaufnahme durch den Bund enge Grenzen setzt, und in der größten europäischen Volkswirtschaft der größten Haushaltsausweitung seit mehr als einer Generation den Weg ebnen.
Das neue Fiskalpaket enthält drei wesentliche Änderungen: einen neuen Infrastruktur-Investitionsfonds mit einem Volumen von 500 Mrd. Euro, eine Ausnahme für Verteidigungsausgaben über 1% des BIP von der deutschen Schuldenbremse und eine Anhebung der Obergrenze für die Nettokreditaufnahme durch die Bundesländer von 0 auf 0,35% des BIP.
Drei Szenarien für Wachstum, Inflation und Geldpolitik im Euroraum
Hinweis: Das Diagramm zeigt die modellierten Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Fundamentaldaten der Eurozone für drei verschiedene Szenarien einer deutschen Haushaltsausweitung um 1, 2 bzw. 3% der deutschen Wirtschaftsleistung. Das Diagramm zeigt die Abweichung von der Ausgangslage für jedes Szenario und wurde mit dem Oxford Economics Model modelliert. Das Modell geht von einem fiskalischen Multiplikator von eins aus. „BIP“ bezieht sich auf die geschätzten kumulativen Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung der Eurozone bis Jahresende 2025 und 2026. Der Gesamtverbraucherpreisindex (VPI) bezieht sich auf die durchschnittlichen jährlichen VPI-Gesamtsätze. „Leitzins“ bezeichnet den Zinssatz der EZB-Einlagefazilität per Jahresende. In der Ausgangslage gehen wir von einem Wirtschaftswachstum von 1,5% aus.
Quelle: Berechnungen von Vanguard, auf Grundlage von Daten von Bloomberg und Oxford Economics.
Bei einer Umsetzung würden Milliarden Euro an staatlichen Ausgaben fließen, die die seit mehr als zwei Jahren schrumpfende deutsche Wirtschaft ankurbeln könnten.
Finanziert würden diese Ausgaben durch eine erhebliche Ausweitung der Staatsschulden, was an den deutschen und europäischen Anleihemärkten für Nervosität gesorgt hat: In der Woche nach der Ankündigung stieg die Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen um 43 Basispunkte (Bp) auf 2,84% – so deutlich wie seit fast 35 Jahren nicht mehr,1 und dies obwohl die Europäische Zentralbank (EZB) den Zinssatz für ihre Einlagefazilität am 6. März auf 2,50% gesenkt hat.
In die EZB-Prognosen vom März schafften es Vorschläge von CDU, CSU und SPD nicht mehr, doch in ihrer Erklärung gab sich die EZB zurückhaltend und nannte hohe Unsicherheit sowie eine laxe Finanzpolitik als Risiken für die Konjunkturaussichten des Euroraums. Im Ergebnis könnte dies nach unserer Einschätzung dazu führen, dass die EZB ihre Rhetorik um weitere Zinssenkungen aufweicht.
Unsicherheit besteht weiterhin in Bezug auf die Implementierung und den Zeitplan, insbesondere bei den Verteidigungsausgaben. Sollte der Plan jedoch umgesetzt werden, würde das deutsche Haushaltsdefizit in einem realistischen Basisszenario in den kommenden zwei Jahren um 1,5% der deutschen Wirtschaftsleistung ansteigen und der Wirtschaft des Euroraums einen Wachstumsschub von 0,4 bis 0,5 Prozentpunkten geben. Höheres Wachstum könnte zudem die EZB dazu veranlassen, im laufenden Jahr auf ein bis zwei Zinssenkungen zu verzichten.
Ein erhebliches Risiko für dieses Szenario geht von einem deutlichen Anstieg der US-Zölle aus. Unsere Berechnungen deuten darauf hin, dass US-Einfuhrzölle auf EU-Güter in Höhe von 25% die erwarteten Gewinne aus der deutschen Haushaltsausweitung sowohl in diesem als auch im kommenden Jahr ausgleichen könnten, sollten sie für längere Zeit Bestand haben.
Die geplante Haushaltsausweitung bedeutet einen Umbruch für Deutschland, womöglich jedoch auch einen Wendepunkt für Europa. Nicht nur das Wachstum könnte noch in diesem Jahr wieder anspringen, die deutschen Haushaltspläne könnten auch eine Phase von Mehrrenditen am Aktienmarkt und Minderrenditen von Anleihen einläuten.
Die Kursrallye, die unmittelbar nach der Ankündigung am deutschen Aktienmarkt, aber auch an anderen europäischen Börsen eingesetzt hat, könnte sich als nachhaltiger erweisen – vor allem dann, wenn mehr Klarheit über die Umsetzung des Steuerpakets herrscht. Auf lange Sicht wäre höheres Trendwachstum positiv für deutsche und europäische Aktien.
Da die europäischen Anleihemärkte die Auswirkungen einer derartig massiven Ausweitung der Staatsschulden sowie gegebenenfalls langfristig höherer Finanzierungskosten erst verarbeiten müssen, rechnen wir bis auf Weiteres mit Volatilität.
Der Ausverkauf an den deutschen und europäischen Anleihemärkten als Reaktion auf das deutsche Ausgabenpaket war aus unserer Sicht durchaus angemessen und könnte sich sogar noch ausdehnen, wenn die Märkte die längerfristigen Folgen der geplanten Schuldenaufnahme in Deutschland einpreisen.
In Erwartung der deutschen Haushaltsexpansion hatte das Vanguard Active Fixed Income Team deutsche Bundesanleihen gegenüber US-Treasuries und britischen Staatsanleihen in unseren Portfolios bereits vorher untergewichtet. Die Ereignisse vom 4. März bestärken uns in unserer Überzeugung, dass Bundesanleihen dem Markt hinterherlaufen werden.
1 Quelle: Vanguard. Berechnung des Anstiegs der Renditen auf zehnjährige Bundesanleihen auf Grundlage der Tagesschlussrenditen vom 28. Februar 2025 (2,41%) und vom 7. März 2025 (2,84%).
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